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[WSTLB,
HSS. Klemm Josef Inv. Nr. 30916 /1872.]
Grillparzeriana 1872
Aschermittwoch
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Meine Anträge, welche ich dem Dichter im Verlaufe von
20 Jahren auf Herstellung einer Gesammt-Ausgabe, oder auf
neue Einzelnausgaben stellte, wurden stets abgelehnt.
„Man will neue Ausgaben, man hat mir schon 20.000
f angeboten (aber für’s Geld thue ich schon gar nichts)
Sie, mein Lieber, wollen Ihre Auflagen allenfalls vernichten,
– ja aber, warum kaufen die Leute die vorhandenen Expl.
nicht, warum haben die Leute dieselben nicht schon längst
aufgekauft ? – Nein mein Lieber, ich überlasse Alles
meinen Erben, – ich werde wohl bald fertig sein, meine Erben
sollen nach mir freie Hand haben”. „Die gegenwärtige
Generation verdient es nicht, einen Dichter zu haben, wie
sie außer Schiller noch keinen gehabt.”
Mit diesem überständigen Greise war nichts anzufangen.
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Hätte ich neue Auflagen gedruckt ohne seine Einwilligung
eingeholt zu haben, er hätte sich gewiß nicht
beschwert, weil er mich wohl leiden mochte, ja ich glaube
er hätte ein nachträglich angebotenes oder dargebrachtes
Honorar sogar abgelehnt.
Da ich aber unfähig bin die guten Eigenschaften oder
das Wohlwollen Anderer zu mißbrauchen, so blieb ich
auf dem correkten Wege, und um mich nicht dem Verdachte
der Einschleicherei preiszugeben, unterließ ich schließlich
meine Besuche, und sprach den alten Herrn das letzte mal
an seinem 80. Geburtstage im Jänner 1871, in meiner
Eigenschaft als Mitglied der Gemeinderäthlichen Deputation.
Nur vor Eintritt des Jahres 1871, nämlich am 10/12
870, begrüßte ich den Dichter und lud ihn ein,
die Aufmerksamkeit des Publikums zur Feier seines Geburtstages
durch Ausgabe eines Bandes Gedichte
zu erwiedern [sic].
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„Ich will dem Gesindel nichts zu liebe thun” (und
diese Äußerung galt der Concordia Adresse).
Also mindestens 20.000 f Honorar; nur die „Ahnfrau”
und die „Sappho” populär, die übrigen gedruckten,
außer „Ottokar” schwer wie Blei; die bekannt
gewordenen Gedichte, nicht lyrisch, die Epigramme werden
mit Rücksicht auf noch Lebende nicht sämmtlich
serviert werden können, – auch veraltern die pikantesten
gar bald, und noch obendrein den ekelhaften, Dichterruhm
– Erbschleicher Weilen und dem Laube als Ordner, Sichter
und Verbesserer (?) in Kauf nehmen zu sollen, das wäre
mir zu viel Risico gewesen.
Im Jänner 1871 betrieben die Zeitungsschreiber einen
Grillparzer-Cultus so außerordentlicher Art, daß
erwartet werden konnte, nun werden die Grillparzer-Dramen
reißenden
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Absatz finden. Irrthum! Das Publikum verhielt sich ablehnend,
wie immer.
Ich mochte nun nicht mehr daran denken, mich z. .Zeit um
die Verlagsrechte auf den Grillpar’schen Nachlaß zu
bewerben.
Zwischen dem Dichter und mir (resp. Wallish.) bestanden
schriftliche Verträge nicht. Die Verlagsrechte waren
nur von Auflage zu Auflage erworben worden. Erwirbt jemand
außer mir das Recht auf eine Gesammt- Ausgabe, dann
kann ich( möglicher, sogar wahrscheinlicher Weise nur
prozessieren) eine Concurrenz gegen meine Einzeln-Ausgaben
verhindern, solange ich deren noch vorräthig haben
werde.
Sappho, Ahnfrau, Ottokar, diese absatzfähigen Stücke
könnte der neue Verleger gleich einzeln bringen, weil
diese bei mir schon oder fast vergriffen sind, und die übrigen
Stücke, besonders das „goldene
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goldene Vließ“ bringe ich etwa Zeit meines Lebens
nicht los.
So calculirte ich, und hielt es für gerathen für
meine Auflagen-Reste einen Käufer zu suchen, und da
ich vermuthen durfte, daß die Brüder Gerold darauf
reflectiren einstens die Grillparzer-Verleger zu werden,
so bot ich denselben am 20. Sept. 71 meine Vorräthe
im Betrage von f 7838.30x für f 3919 an.
Diese Herrn antworteten mir jedoch erst am 9. Febr.1872,
daß Sie mir nur die Hälfte meiner Forderung bieten,
nämlich 25 % von dem Ladenpreisen und nicht die von
mir verlangten 50 %.
Unsere Verhandlungen führten aber dennoch zum Abschluße
und ich lieferte an Gerolds meine Vorräthe im ord.
Betrage von F 6898.40x wofür ich 40 %, nämlich
f 2759 F 36x bezahlt erhalten werde.
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Jene, welche einst diese Zeilen lesen werden, können
fragen: Wozu diese Darstellung? Klemm hat für seine
Angelegenheiten die Verantwortung nur für sich zu führen.
Und in der That es ist so. Habe ich mich in diesem Falle
verrechnet oder nicht, beurtheilt man mich deßhalb
wie immer, diese Angelegenheit ist günstig oder ungünstig,
aber sie ist abgemacht. Ich war auch zufrieden mit dem Resuldate,
weil ich es unter Wahrung meiner männlichen Würde
nicht angemessen fand, der Erbin des Dichters, Frl. Fröhlich
vorzulügen, daß ich auf die Erwerbung des literarischen
Schatzes bedacht sei, und im Falle des Ueberholtwerdens
durch die Herren Concurrenten, schwer beschädiget wäre,
– und weil ich Herrn Braunmüller,
welcher sich erfrechte ein Prioritätsrecht zu beanspruchen,
durchaus nicht begünstigen wollte.
Ich war froh, die soliden Gerolde
als Rechtsnachfolger zu wissen, da mir bekannt war, daß
eine Frau Gerold in guten gesellschaftlicher Beziehungen
zur
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Dame Fröhlich stand, und ich somit hoffen dürfte,
dass Grillparzer Wiener Verlag bleiben werde. Ich schrieb
das Vorstehende auch nicht nieder, etwa glaubend, daß
es jemals von publizistischem Interesse sein werde, –
ich schrieb es nieder als Erläuterung, als Erklärung
desjenigen, welches ich in den folgenden Zeilen (wie die
Juristen sagen) „zum ewigen Gedächtniße”
für meine Kinder niederschreiben will, da mir diese
nicht glauben mögen, ich sei in geschäftlichen
Angelegenheiten blöde gewesen, und ich hätte unver.....erte
Vortheile, die ich rechtlicher und anständiger Weise
ausnutzen durfte, unausgenützet belassen.
Unanständig war es von mir gewiß nicht, aber
vielleicht war es unklug, daß ich Braumüller
von der Concurrenz ausschloß, und den beiden Gerold
erst nachdem unsere mündlich geführte Verhandlung
beendiget, mein Verkauf abgeschloßen war, daß
ich diesen
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beiden Herren erst dann, den Brief
Braumüller’s d .d. 13/2 zeigte und ihnen somit
bewies, daß ich jedes Pressions-Mittel zur Erzielung
eines höheren Verkaufspreises unterlassen hatte.
Die Hr. Gerold theilten mir später öfter den Gang
der Verhandlungen mit den Vertretern der Erbin mit, und
ersuchten auch sogar an Cotta in ihrem Interesse zu schreiben,
welcher Zumuthung ich keine folge geben konnte.
Cotta bot mehr, als Gerold und es war vorauszusehen, daß
jener Sieger bleiben wird. Und er ist Sieger, indem er das
Verlagsrecht gegen Zahlung von 40.000 f erstanden hat.
Die Herren Gerold wollten an dem Unternehmen theil haben,
verhandelten mit dem hier anwesenden Vollmachthaber des
Cotta, und gestern erzählte mir Fritz Gerold:
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„Cotta hat alle unsere Vorschläge abgelehnt.
Schließlich
boten wir ihm an, gegen Nennung unserer Firma auf den Grillparzer’schen
Ausgaben als Mitverleger, unserer Rest-Vorräthe vernichten
zu wollen, – Alles umsonst, er gab nicht nach. Nun beschloßen
wir, uns auf den Standpunkt von Kaufleuten zu stellen, und
forderten eine Ablösungssumme von 10.000 f- mit dem
Hintergedanken, uns mit 6000 f- zufrieden zu finden.
Cotta’s Agent telegraphirte, und brachte die Antwort, daß
10.000 f nicht wohl aber 8.000 f bewilliget werden. Wir
erklärten uns einverstanden unter der Bedingung daß
unsere Expl.- Vorräthe uns zur Auslieferung für
unsere Rechnung bis Ende Jänner 1873 verbleiben. Von
den dann noch vorräthigen Expl. würden
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wir die Titel abtrennen und an Cotta einsenden. Und auch
darauf ist Cotta eingegangen. Hi, hi, hi, hi !”
So erzählte mir Friedr. Gerold, mein College als Buchhändler,
mein College im Gemeinderath der Stadt Wien, und ich hatte
die Empfindung, als wollte [er] mit der Musik seiner Rede
sagen: Was verteufelt gescheidte Kerle sind wir, die Gerolds,
und welch‘ ein Esel bist Du!
Ich überrechnete flüchtig, daß Gerold bei
diesem Geschäfte reine 8000 f- profitirt, schämte
mich mit jenen Herren ein so freundschaftliches Uebereinkommen
getroffen zu haben und nun als Dupirter zu gelten, dachte
wie schön es wäre, wenn ich selber jene 8000 f
gewonnen, und für meine
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acht Kinder nutzbringend angelegt hätte, und obwohl
mir der Schweiß auf die Stirne trat, versuchte ich
dennoch die äußerliche Unbefangenheit zu bewahren.
„Dieser Fall wird einstens bekannt werden und meine Unzurechnungsfähigkeit
wird documentirt sein.
Verstehe ich nicht meine eigenen Angelegenheiten glücklich
zu führen, so kann ich fernerhin auch nicht mehr für
die oeffentl. Interessen thätig sein.” So raisonirte
ich gestern.
Heute, etwas objectiver gestimmt, frage ich mich, warum
waren ich und Villfortt über den Geschäfts-Abschluß
mit Gerold recht zufrieden? Haben wir Beide, Alterfahrenen,
den Werth der Wallishausser’ schen Verlagsrechte unterschätzet?
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Oder haben wir unüberlegt, eifrig, gierig zugegriefen
[sic]?
Glaubten wir etwa ein sehr gutes, die Partner beschädigendes
Geschäft zu machen?
Ich studiere neuerdings das Gesetz zum Schutz des liter.
und artist. Eigenthums und verändere meine diesbezüglichen
Kenntniße nicht.
Wir wußten, daß wir auf Grillparzers Gesammt
Werke nicht bieten wollen.
Wir glaubten, daß Gerold falls er Ersteher wird, bis
zum Erscheinen neuer Auflagen den Kaufschilling aus dem
vorhandenen Materiale lösen werden, und wir wollten
diese Wiener Firma in ihrer Bewerbung bestens unterstützen.
Darum, unsere Zufriedenheit über den Abschluß
mit Gerold.
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Gerold will sich um die Verlagsrechte beworben haben; er
sagt es; Zeugniße dafür habe ich nicht.
Jedenfalls sind diese beiden Herrn achtfältige Tausend
Künstler. Denn, nachdem ich an Gerold für 6898
f 40 x ord geliefert habe, wofür ich 40 % =2759 f 36
x bekomme, welche Summe der Käufer, da er nur 25 %
rein Ord. rabatiert, jedenfalls bis 21/1 873 wieder einnehmen
wird, so hat Cotta 8000 f- rein weggeworfen.
Ja, Cotta hätte im ungünstigsten Falle, den Gerold
höchstens für noch 6000 f- ord. Lager hat auf
buchhändler’ schen Wegen dieses Lager mit 25 % in Jahresrechnung
an sich
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bringen können, hätte dafür 4500 f- Belastung
erfahren und es wäre ihm freigestanden die so erworbenen
Expl., nachdem Gerold nichts mehr zu liefern gehabt hätte,
bestens zu verwerthen.
Mir stand das Eigenthumsrecht nur auf die vorhandenen Auflage
Reste zu. Ein anderes Recht als ich hatte, kann Gerold von
mir nicht erworben haben.
Was also, hat Gerold an Cotta verkaufen können?
Die Herren Gerold, haben von mir ein Document in Händen,
in welchem zu lesen ist! „Nach freundschaftlichen
Uebereinkommen
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verkaufe ich Ihnen meine Vorräthe Grillparzer‘ scher
Dramen” samt jener Rechten, die mir zukämmen” [sic]
„Zukommen, soll es heißen” sagte Herr Moriz G. ”Nein,
sagte ich zurück, es kommen mir keine zu, es lautet
richtig: zukämmen [sic].
Und so blieb’s geschrieben.
Die Kenntniß dieser Angelegenheit und ihres Verlaufes
behalte ich für mich.
Selbe kann aber von anderer Seite an die Glocke gehängt
werden Vielleicht wird sie ausgeläutet, und ich lebe
nimmer. Vielleicht wird einer meiner
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Söhne Buchhändler, und dann wird er erfahren,
daß ich einstens Grillparzers Verleger war, er wird
erfahren, daß das Verlagsrecht von Cotta gegen f 40.000
mehr 8000 f an Gerold und heute unbekannt um das Plus welches
die „letzten Hände” (Laube und Weilen) kosten
werden, erworben haben.
Dieses literargeschichtlich merkwürdige Honorar im
Vergleiche zu den Erfolgen die der Verleger erzielen wird,
mag f. J. dem jungen Buchhändler interessant, ja es
wird für ihn lehrreich sein.
Er wird dann beurtheilen können ob ich richtig calculirte,
indem ich
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darauf verzichtete, des Grillparzer Verleger-Ruhmes theilhaftig
zu werden.
In der Beilage behauptet Herr Braumüller sen, dass
der Dichter Niemand Anderen als ihn, als den Zukunftsverleger
bezeichnet habe.
Hr. Braum. hat dafür keine Zeugen. Ich hingegen könnte
Personen nennen, welche ich in den letzten 20 Jahren oft
genug, die von Grillparzer mir ebenfalls oft genug gemachte
Äußerungen wiederholt erzählt habe, welche
den entschieden Willen bekundete „seinen Erben nicht“
vorzugreifen.
Allerdings erklärte er mir auch auf’s deutlichste:
„ Seine Erben kennen seine Intentionen genau,
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dieselben werden dem bisherigen Verleger gewiß nicht
Unrecht thun, – es ist denselben bekannt, dass sein Verleger
bisher als solcher nicht glücklich war, und alle Berücksichtigung
verdiene.”
Und indem der Greis etwas für mich Schmeichelhaftes
hinzugefügt hatte, sagte er „Mein Testament ist
fertig; ich will Anderen nicht vorgreifen, diese werden
schon wissen, was Recht sein wird.”
Trotz aller Hochschätzung, welche die Dame, Fräulein
Fröhlich verdient, und angenommen, dieselbe hätte
für mich nur Wohlwollen (was mir jedoch unbekannt ist)
hätte ich etwa voraussetzen sollen, diese hochherzige
Dame werde ein ander-
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seitiges hohes Honorar-Angebot zurückweisen, um mein
geringeres zu acceptiren?
Fräulein Fröhlich hat sich wahrscheinlich (und
dieses
zu vermuthen ist mir wohl erlaubt) bewegen lassen, Herrn
Cotta die Bedingung zu stellen, sich mir dem Rechtsnachfolger
des seitherigen Verlegers abzufinden. Ist dieses der Fall,
dann darf ich weiter vermuthen, dass Frau Rosa Gerold einen
diplomatischen Erfolg errungen hat.
Dann aber hätte die Erbin um 8000 f- weniger bekommen,
als Hr. Cotta zu bezahlen Willens war.
Und es bleibt unaufgeklärt, warum Cotta diese Abfindung
nicht billiger zu erzielen wußte.
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Der Herr Sohn kann möglicher Weise sich denken, mein
Alter war im Schilfe und hätte Pfeifen schneiden können.
Ich erwiedere [sic]: Schilf wächst aus dem Sumpfe.
Josef Klemm
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