ÖBK 1863, Nr. 34. 1. Dezember, S. 366.

Ueber die Beschlagnahme verbotener Bücher.

Folgende uns von Herrn Jos. Klemm mitgetheilten Actenstücke betreffen einen für den österreichischen Buchhandel in principieller Beziehung sehr wichtigen Vorgang und wir werden nicht ermangeln, s. Z. auch die Entscheidung des h. Justizministeriums unsern Lesern zu bringen.

A) Gesuch an Se. Excellenz den Herrn Justizminister Dr. von Hein, k. k. geheimer Rath, Ritter des Ordens der eisernen Krone, ec. ec.

Auf dem Hauptzollamte wurde meiner Buchhandlung am 13. d. M. eine verbotene Druckschrift confiscirt.
Dieser ungesetzlichen Amtshandlung gegenüber, glaube ich nicht auf die Frage eingehen zu müssen, ob die Thatsache des Eintreffens der verbotenen Schrift an meine Adresse schon an sich nach dem gegenwärtigen Gesetze strafbar, ob die Schrift vor oder nach dem Verbote bestellt, ob sie auf Verlangen oder unverlangt eingesendet worden sei.
Ich berufe mich auf das Preßgesetz vom 17. December 1862, wornach (sic) das Präventiv=Verfahren: Censur und Revision aufgehoben worden, und an dessen Stelle die gerichtliche Behandlung getreten ist.
Ich glaube, es liege nur im Ressort des hohen Justizministeriums das gesetzliche Recht der Staatsbürger gegen gesetzwidrige Maßnahmen der Behörden zu schützen, und darum wende ich mich beschwerdeführend an dieses hohe Justizministerium!
Die §. §. 6–9 des Strafverfahrens in Preßsachen berechtigen nur die Sicherheitsbehörde und die Staatsanwaltschaft Beschlagnahmen vorzunehmen.
Die Finanzbehörde ist nicht berechtiget, Druckschriften zu confisciren; sie könnte höchstens eine Anzeige an die betreffende Behörde erstatten.
Und eine solche dürfte sich auch nur auf eine zufällig gemachte Wahrnehmung oder Entdeckung beziehen. Daß aber der Finanzbehörde das Recht eingeräumt werde, die anlangenden Büchersendungen principiell zu controliren, somit eine förmliche polizeiliche Revision vorzunehmen, dagegen müßte der gesammte Buchhandel der deutsch=slavischen Länder protestiren, und zwar aus folgenden Gründen:
Nach §. 24 der aufgehobenen Preßordnung war allerdings schon der Bezug verbotener Druckschriften eine strafbare Handlung, allein nach §. 6 des neuen Preßgesetzes wird sie es erst durch die thatsächliche Verbreitung,? wie dieß auch in dem Unterschiede zwischen Censur und Preßgesetz, Polizei= und Justiz=, Präventiv= und Repressiv=Verfahren wesentlich begründet ist.
Die Finanzbehörde ist nicht in der Lage, zu constatiren, ob verbotene Druckschriften verlangt oder unverlangt eingesendet, ob dieselben vor oder nach dem Verbote bestellt, ob solche zum Geschäftsbetriebe oder zum Privatgebrauche verlangt worden sind, und es kann ihr eine Amtshandlung in dieser Richtung durchaus nicht zustehen; es wäre denn, es wollte ein förmliches Präventiv=Verfahren sanktionirt, und die aufgehobene Polizeirevision unter einer anderen (schlechteren) Form wieder hergestellt werden.
Dagegen würde sich aber der Buchhändler um so entschiedener verwahren müssen, als ihm ohnedieß nach §. 31 des Preßgesetzes sogar die Verantwortung für den Inhalt der im Auslande erschienenen Druckschriften, und überdieß nach §. 6 die volle Verantwortung für den wirklichen Vertrieb verbotener Bücher auferlegt ist.
Wenn dem Zollamte das Recht und die Pflicht zuerkannt würde, die Bücherballen im Geiste der Präventive zu revidiren, so dürfte es sich nicht damit begnügen, einen zufällig entdeckten Fall amtlich zu behandeln, es müßte mit dem Verzeichnisse verbotener Druckschriften in der Hand jedes Packet (sic) einer genauen polizeilichen Revision unterziehen.
Hiermit würde der Buchhändler nebst der schon sehr drückenden eigenen Verantwortung, die ihm das gegenwärtige Preßgesetz auferlegt, noch mit einer in diesem Gesetze nicht begründeten Polizeimaßregel belastet, durch welche alle die Verzögerungen und Benachtheiligungen seines Geschäftes wieder eingeführt werden würden, denen er endlich um den Preis einer sehr strengen Repressiv=Behandlung entgangen war. Er würde den aufgehobenen Präventivmaßregeln, und dem wegen dieser Aufhebung gegebenen Repressivgesetze zugleich unterliegen, wogegen er mit Berufung auf das Gesetz an die Gerechtigkeit der gesetzgebenden Factoren appelliren müßte.
Euere Excellenz! Gestatten Sie mir die Bitte: Daß nicht nur in dem vorliegenden Falle mir die gesetzwidrige confiscirten vier Exemplare einer verbotenen Druckschrift sogleich zurückgestellt, sondern daß auch für die Zukunft ähnliche Uebergriffe bei der Finanz=Revision der Bücherballen, auf Grund und im Geiste des Preßgesetzes hintangehalten werden mögen.
Wien, 17. November 1863.
Josef Klemm,
Buchhändler
Firma: Wallishausser’sche Buchhandlung.

B) Entscheidung des k. k. Landesgerichtes über die vorerwähnte Confiscirung.
Das k. k. Landesgericht zu Wien in Strafsachen.
Herrn Josef Klemm.
Von dem k. k. Landesgerichte Wien in Strafsachen wird über Antrag der k. k. Staatsanwaltschaft vom 16. November l. J. Z. 7852 die von derselben veranlaßte Beschlagnahme von zwei Exemplaren der verbotenen Druckschrift „Les Amours de Napoleon III. etc. Genève, Bruxelles, Milan, Turin 1863“ und von zwei Exemplaren der ebenfalls verbotenen deutschen Original=Ausgabe dieser Druckschrift unter dem Titel „Die Liebschaften Napoleon III.,“ welche einem an die Wallishausser’sche Buchhandlung des Josef Klemm, aus Leipzig eingelangten Bücherballen entnommen wurden, nach den §§. 6 und 8 des Preßverfahrens bestätigt.
Gründe:
Mit hiergerichtlichem Erkenntnisse vom 13. September l. J. Z. 26121 wurde die vorerwähnte Druckschrift aus dem Grunde mit Verbot belegt, weil ihr Inhalt das Vergehen gegen die Sittlichkeit nach §. 516 darstellt. Da nun der Bezug im Wege des Buchhandels als ein Mittel zur Verbreitung dieses Werkes erscheint, diese Verbreitung aber das Vergehen des §. 24 des P.G. begründet, ist die verfügte Beschlagnahme gerechtfertigt.
Wien, am 19. November 1863.
Scharschmied, m. p.


ÖBK 1863, Nr. 35. 10. Dezember, S. 383.

Die Beschlagnahme verbotener Bücher.

Im Nachhange zu dem in unserem vorigen Blatte gebrachten Actenstücke über die zollämtliche Confiscirung verbotener Bücher, bringen wir folgendes, von dem k. k. Landesgerichte in Strafsachen zu Wien an Herrn Josef Klemm erlassene Erkenntniß.
Von dem k. k. Landesgerichte Wien in Strafsachen wird auf Grund des Erkenntisses vom 13. September l. J. Zahl 26, 121, womit die Druckschrift „Les amours de Napolèon III.“ ec. sowie die deutsche Original=Ausgabe dieser Druckschrift: „Die Liebschaften Napoleons III.“ ec. mit Verbot belegt wurden, hiemit auf Grund des §. 37. P.G. B. verordnet, daß die vier Exemplare dieser Druckschrift, welche in einem an die Wallishausser’sche Buchhandlung gerichteten Bücherballen vorgefunden und mit Beschlag belegt wurden, zu vernichten seien, weil deren Verbreitung aus den Gründen des Verbotes nicht zulässig ist, und sie noch nicht in den Besitz dritter Personenübergegangen sind.
Wien, 28. November 1863.