„Bald darauf ersuchte mich Herr Joseph Klemm, der damalige Besitzer der Wallishausserschen Buchhandlung, eine Sammlung „Wiener Couplets“ für seinen Verlag zusammenzustellen. Eine solche Anthologie mußte seines Dafürhaltens gut gehen, da oft Nachfragen einliefen. Daß ich die diesbezügliche Literatur gut kenne, nahm er als selbstverständlich an, er bestand nur darauf, daß ich mich der schriftlichen Einwilligung der Autoren versicherte. Da führte mich der Weg natürlich auch zu Direktor Nestroy, der seinen Namen bereitwilligst auf den Bogen schrieb, auf dem Alois Berla, Karl Elmar, Theodor Flamm, Karl Haffner, Friedrich Kaiser, Anton Langer und andre ihre Zustimmung durch ihre Unterschrift bereits erklärt hatten. „Ich hätte aber doch eine höfliche Bitte,“ sagte er, indem er die Feder eintauchte, „mit den Couplets ist das so eine eigne Sach´. Manchmal schlagt eines so ein, wie man´s gar nicht erwartet hätt´, und wieder ein andres braucht länger, als ob sie sich erst hineinwachsen müssten. Da hab ich in „Mein Freund“ ein Couplet g´sungen, „Hat denn die Sprach da kein anderes Wort?“, es hat g´fallen – man kann vielleicht mehr Wert d´rauf legen wie auf manches andre, was mehr durchgeschlagen hat, ja – und da möchte´ ich bitten, dass dieses Couplet aufgenommen wird, und dann, daß beim Kometenlied aus´m ,Lumpaci´ die veralteten Strophen durch die modernisierten ersetzt werden, die ich jetzt sing´ und die Ihnen der Souffleur herausschreiben wird.“ Er brachte das alles so – ich möchte sagen, so devot vor, daß ich mich sehr gedrückt fühlte. Es ist selbstverständlich, daß ich seinen Wünschen bereitwilligst entsprach.
Bald darauf übertrug mir Herr Klemm die Redaktion des „Wiener Theater-Repertoire“, die ich länger als zehn Jahre führte. Ich hatte die Stücke herbeizuschaffen, Korrekturen zu lesen und so weiter. Für diese Arbeit erhielt ich – nichts. Die Autoren erhielten auch nichts. Höchstens Freiexemplare. Nur Friedrich Kaiser und O. F. Berg wurden mit fünfundzwanzig Gulden für jedes Stück ein für allemal honoriert. Als nun Nestroys „Jux“ vergriffen war, und ich diese lustige Posse auf Wunsch des Verlegers in die Sammlung aufgenommen hatte, sagte mir dieser: „Nestroy hätte eigentlich für jede neue Auflage laut Vertrag 20 Gulden zu bekommen, aber das kann man ihm nicht geben.“ – „Warum nicht, da es ihm zukommt?“ – „Der Vertrag ist fünfundzwanzig Jahre alt. Heute ist Nestroy eine Kapazität und ein reicher Mann, dem kann man nicht mit zwanzig Gulden kommen!“ – „Wenn es ihm gebührt? Lassen Sie es auf einen Versuch ankommen. Nestroy hat übrigens ein Stück geschrieben ,Heimliche Liebe und heimliches Geld´ – er soll für heimliche zwanzig Gulden immer Verwendung haben.“ – „Nein, nein, das geht nicht. Lassen Sie ein Exemplar hübsch binden und bringen Sie es ihm hinüber. Sie werden ja hören, was er sagt.“ – Und so ließ ich mich eines Tages bei meinem Direktor melden. Die neue Auflage und der hübsche Einband machten ihm Freude, er dankte sehr artig. Erst später erfuhr ich, daß der doppelspaltige Druck seinem Geschmack nicht zusagte.“
Rosner, Leopold: Schatten aus dem alten Wien. Hrsg. v. Karl Rosner. Berlin: Meyer & Jessen, 1910. S. 164.

„…Mitte der sechziger Jahre … Spitzer, der im allgemeinen zurückhaltend und nichts weniger als redselig war und fleißig trank, plauderte gern mit mir und suchte mich oft in der Wallishausserschen Buchhandlung auf, deren Leiter ich damals war, da deren Besitzer, Joseph Klemm, durch Gemeinderats-, Landtags- und Gremialvorstands-Geschäfte vollauf in Anspruch genommen war und für sein Geschäft kaum eine Stunde im Tag erübrigen konnte.“
Rosner, Leopold: Schatten aus dem alten Wien. Hrsg. v. Karl Rosner. Berlin: Meyer & Jessen, 1910. S. 175