Wallishausser´sche Buchhandlung A. W. Künast, Inh. Paul Knepler
31. Jänner 1905–12. Mai 1916

 

ÖNB Portraitsammlung Sign. 1935/295.382-D*R (Irrtum der ÖNB - dieses Bild ist wesentlich früher aufgenommen worden)

 

Nun beginnt die Ära Paul Knepler. A.W. Künast zieht sich aus dem Geschäftsleben zurück und wir finden im Register für Einzelfirmen den neuen Eintrag: "am 31. Jänner 1905 Paul Knepler als nunmehriger Inhaber eingetragen" [WStLA Sign E/18, Pag. 85/ Fortl. Nr. 169/2].

Firmaprotokollierung im ÖBK:
Am 31. Jänner 1905
Wallishauser’sche Buchhandlung A. W. Künast. Bisheriger Inhaber Adolf W. Künast über Geschäftsveräußerung gelöscht. Nunmehriger Inhaber Paul Knepler. Firmazeichnung. Unterfertigung des vorgedruckten oder vorgeschriebenen Firmawortlautes durch den Inhaber Paul Knepler mit Vor- u. Zunamen.
(Amtsblatt zur „Wiener Zeitung“ Nr. 28 vom 4. Februar 1905) [ÖBK 1905, Nr. 6, 8. Februar, S. 75].

Gleich darauf folgt das erste Geschäftsrundschreiben im Februar 1905:

Deutsche Bücherei Leipzig

Bei der Übernahme der Buchhandlung war Knepler 26 Jahre alt. Am 29.10 1879 wurde er in Wien geboren. Sein Elternhaus war gut bürgerlich, sein Vater betrieb eine Meerschaumfabrik. Paul Knepler hatte das Glück, aus einem sehr kulturell interessierten Elternhaus zu stammen, Klavierunterricht, Theater-, Opern- und Konzertbesuche waren eine Selbstverständlichkeit. Er scheint eine unbeschwerte Kindheit genossen und als echter Wiener über viel Charme verfügt zu haben. Nach Absolvierung der Handelsakademie übte er anschließend den Beruf eines Bankbeamten aus, bevor er sich im Jahre 1900 als einjährig Freiwilliger auf eigene Kosten auf 10 Jahre zum Militär verpflichtete. Nachdem das Militär, wie bekannt, sehr penibel war, wissen wir heute, dass Knepler 163 cm groß war, schwarze Haare, braune Augen, eine große Nase und ein spitzes Kinn hatte. Er wurde zum Train (Versorgungstrupp) eingeteilt. Bereits 1903 war er Leutnant der Reserve und wurde am 31.12.1912 vom Militär entlassen [Öst. Staatsarchiv, Kriegsarchiv, Grundbuchsblatt].
Im selben Jahr, in dem er die Buchhandlung kaufte, vermählte er sich am 24. September 1905 mit Frl. Elise Kohn aus Wien.

Bücher, die Sprache, das Spiel mit dem Wort waren außer Musik Kneplers Leidenschaft. Er führte eine reichhaltige Korrespondenz, leider betrifft der Großteil eine Zeitspanne, die für uns nicht mehr relevant ist. Es gibt aus den Jahren 1907 und 1908 zwei Briefe Kneplers an Gustav Gugitz. Seine erste Textdichtung für die leichte Muse war bereits 1911 Josef Strauß´s op. 164 "Dorfschwalben aus Österreich".

Der Beruf des Buchhändlers hatte bei ihm nicht mehr den gleichen Stellenwert wie bei seinen Vorgängern, obwohl er z. B. der Entdecker und Förderer Friedrich Schreyvogels war.

Da A.W. Künast den Titel Hofbuchhändler 1905 ordnungsgemäß zurückgelegt hatte, Knepler jedoch weiterhin den Titel führte und deshalb gerügt wurde, suchte Dr. Winternitz im Namen seines Klienten 1913 um Verleihung des Hoftitels an, der ihm auch ohne weiters verliehen wird.

Es ist die Zeit der Veränderung. Knepler war die künstlerische Gestaltung der Verlagsanzeigen wichtig, also werden sie im Jugendstil gedruckt (im Neuen Theater Handbuch 1905):

Trotz allem hat die Wallishaussersche Buchhandlung ihren Höhepunkt überschritten. Es sind schwere Zeiten, 1914 bricht der 1. Weltkrieg aus. Die Krone verliert an Kaufkraft, der Buchhandel hat nicht mehr den Stellenwert wie noch vor 10 Jahren. Der Umsatz vermindert sich.

Am 10.5.1912 übersiedelt die Buchhandlung innerhalb des Hauses, jedoch auf die linke Hausseite – Bauernmarkt 15. 1915 gibt es schon wieder eine neue Adresse: Lichtensteg 1, das Eckhaus zur Kärntnerstraße. Dieser neue Standort der Buchhandlung bleibt für einige Jahrzehnte bestehen.

 

Vorder- und Rückseite eines Lesezeichens als Verlagsreklame

Mit dieser Anzeige wird auf die jahrzehntelange Tradition der Buchhandlung auf diesem Standrot verwiesen. Was man Knepler zu dieser unglücklichen Entscheidung veranlaßt haben, auf einen abwertenden Platzwechsel einzugehen?

Der erste Weltkrieg beginnt und Paul Knepler wird als Leutnant am 30.10.1914 zum Militär eingezogen. Mit gleichem Datum scheint im Register der Einzelfirmen Elise Knepler als Prokuristin auf [WStLA, Register der Einzelfirmen XVIII, Sign. E/18 Pag. 85]. Sie übernimmt nun die Geschäfte in der Buchhandlung. Paul Knepler wird bereits am 4.2.1915 zum Oberleutnant ernannt.
Nun kommt ein dunkles Kapitel zur Sprache. Kneplers Unregelmäßigkeiten gegenüber dem Wiener Bankverein begannen schon im Jahre 1910. Damals wurde die Anklage von der k.k. Staatsanwaltschaft Wien erhoben. Das Urteil des Verbrechens des Betruges als Mitschuldiger wird am 31.3.1917 vom k.u.k. Divisionsgericht gefällt. Paul Knepler wird zu 1 ½ Jahren schweren Kerkers, bei Verlust seiner Offizierscharge, verurteilt [ÖStA, Kriegsarchiv, Grundbuchsblatt, DST 1656/12]. Sein Verteidiger war Dr. Ludwig Strauss, er ersucht um Strafaufschub, der ihm auch am 29.7.1917 gewährt wird und Knepler wird zum k.k. Landsturmbezirkskommando No. 1 transferiert und im Oktober 1918 entlassen.
Heute ist der Lebensweg Paul Kneplers bekannt, so kann der Schluss gezogen werden, dass die Handlungen, die hier begangen wurden, aus Leichtsinn und Unvernunft geschahen. In den nachfolgenden Jahren wurde Knepler zum „Meister des Librettos“.

Seit dem 8. Mai 1908 war Paul Knepler auch Mitinhaber der Firma Paul Knepler & Max Schlesinger, Buchdruckereifirma, Wien IX., Widerhoferplatz 3. 1916 scheint Paul Knepler noch als Mitinhaber auf.

Obwohl Paul Knepler seit 1916 nicht mehr Inhaber der Wallishausserschen Buchhandlung, aber er verlegte noch immer Bücher mit dem Impressum:

 

Paul Knepler widmete sich mehr und mehr dem Libretto. Er ging in die Emigration nach England und kam nach Kriegsende wieder nach Österreich zurück. Lesenswert ist die Korrespondenz zwischen Robert Stolz und Paul Knepler in der Emigration über den Wiederaufbau der Musikszene in Wien nach dem Ende des Krieges. Er hatte ein ausgesprochen interessantes Leben, leider ist es im Rahmen dieser Arbeit nicht möglich, über ihn weiter zu berichten. Dies wäre eine eigene Arbeit. Um einen kleinen Überblick zu schaffen, führen wir den Artikel zur Würdigung seines 70. Geburtstages im „Neuen Österreich“ an:

Ein Meister des Librettos. Von Peter Herz.
Am 29 Oktober begeht Paul Knepler, der letzte lebende Librettist Lehárs, seinen 80. Geburtstag.
In diesen Tagen befindet sich leider die Wiener Operette in sehr prekären Umständen, die Bühnen, auf denen sie ihre Triumphe feierte, werden abgewiesen, es gibt kaum einen Nachwuchs, das amerikanische Musical hat ihr den Boden abgegraben. Es steht schlecht um dieses einst verwöhnte Kind der Kunst. Ein Lichtblick – wenn wir in dieser düsteren Zeit der Operette des Jubiläums eines ihrer hervorragendsten Librettisten gedenken können: Paul Knepler ist noch unter uns, er wird demnächst 80 Jahre alt!
Seit Dapontes und Schikaneders Zeiten wird Name und Werk des Librettisten vom Ruhm des Komponisten überschattet, er blieb unbedankt. Von der Kritik zerzaust, wanken schemengleich die Librettisten durch die Geschichte der Oper und Operette. Und dennoch, kein Dichter, wie etwa Grillparzer, konnte den Titanen Beethoven zu einer Oper inspirieren, nein, es waren schlichte Librettisten, die Weber, Wolf, Verdi und Puccini zu ihren bedeutendsten Werken anregten.
In der Operette ging es den armen Librettisten fast noch ärger – sie gerieten vollends in die Sklaverei ihrer Tonmeister, kaum daß das breite Publikum aus klassischer Operettenwelt nur die Signierung: Zell und Genée kennt, denn das ist das sonderbare bei Operettenlibrettisten: sie treten immer paarweise auf – oder, wie der witzige Julius Bauer, selbst Librettist, einmal in Selbstpersiflage schrieb: „Ein Unglück kommt selten allein ...“
Ja, so ein Operettenlibrettist hat ein schweres Leben – sogar die deutsche Bezeichnung seines Berufes, „Buchmacher“, muß er mit dem Rennsport teilen. Die neuere Wiener Operette hatte mehrere solcher berühmter Librettistenfirmen aufzuweisen: Victor Léon und Leo Stein, Willner & Bodansky, Brammer, Grünwald u. s. w. Sie sind alle dahin, aber hell strahlt der Name eines Textautors auch noch durch unsere Zeit – es ist der Name Paul Knepler!
Hier ist ein Mann von größter literarischer und musikalischer Bildung am Werke, der selbst als Komponist hervorgetreten und deshalb wie kaum ein zweiter befähigt ist, sich den primären Erfordernissen der Komposition unterzuordnen.
Paul Knepler ist aus einer künstlerisch reichbegabten Familie hervorgegangen. Sein älterer Bruder Hugo – Impressario, Musikverleger, Kunsthändler, Zauberkünstler, gerichtlicher Sachverständiger für alle unerlaubten Spiele und Allerweltsliebling – gehörte zu den bekanntesten Erscheinungen der Wiener Gesellschaft nach dem ersten Weltkrieg. Sein Bruder Paul bildete sich zum Musiker aus, übernahm aber dann die altberühmte Wallishausersche Buchhandlung und Verlagsanstalt am Lichtensteg, die er jahrelang leitete. Er war ein fanatischer Muskliebhaber, Stammgast der Oper, eifrigster Wagnerianer, der es sich damals noch nicht träumen ließ – Operettenlibrettist zu werden. Seine Arbeiten, sowohl musikalischer als auch schriftstellerischer Art, waren ernsten Themen gewidmet.
Dann aber, da er ein echter Wiener war, verschrieb er sich dem Walzer! Schon während seiner Militärzeit ist er bei Regimentsveranstaltungen mit eigenen Kompositionen hervorgetreten. Kurz, eines Tages schrieb er sich das Buch zu einem Wiener Singspiel, das er auch vertonte – wurde also sein eigener Textdichter.
Dieses Singspiel, „Josephine Gallmeyer“, war im Wiener Bürgertheater ein großer Erfolg und wurde nahezu dreihundertmal aufgeführt. Auch ein zweites Werk, „Wenn der Holunder blüht“, machte ähnliche Karriere. Dadurch kühn geworden, schrieb er sich ein anspruchsvolles Libretto, das die sonderbaren Schicksale und Amouren des mysteriösen Teufelsgeigers Nicolo Paganini zum Inhalt hatte. Aber Bücher haben ihre Schicksale – und so wurde dann der „Paganini“ für Knepler schicksalhaft. Es hatte schon sein Buch zu komponieren begonnen, als dieses auf Umwegen zu Franz Lehár gelangte, und diesem – vorerst anonym – vorgelegt wurde.
Lehár war von der ersten Szene so fasziniert und begann noch in derselben Nacht die Komposition des ersten Aktes zu skizzieren. Bevor er sich endlich dann am grauenden Morgen zur Ruhe legte, schrieb er auf den Umschlag des Manuskripts die Worte hin: „Mein Geburtstagsgeschenk vom lieben Gott.“ Auf diese Art wurde Paul Knepler, der, bescheiden wie immer, mit seiner eigenen Komposition vor dem großen Meister das Feld räumte – Librettist. Er allein sprengte in Hinkunft die Fesseln der Sklaverei, mit denen früher der Librettist an die Komponisten geschmiedet war – er wurde nämlich ihr Freund – es war eine Freundschaft, die lebenslang hielt. Mit Lehár schrieb er auch „Giuditta“, Lehárs letzte große Operette, mit der dieser in die Oper einzog. Noch im Jahre 1947, als Lehár schon recht krank war, antwortete er auf Fragen nach seinem nächsten Werk: „Das hängt von Paul Knepler ab – Ich warte auf sein nächstes Buch.“ Dieses Buch wurde auch geschrieben, aber Lehárs Todeskrankheit verhinderte dann doch die Komposition dieses Librettos, das vielleicht doch in der Vertonung durch Nico Dostal den Weg zum Rampenlicht finden wird.
Paul Knepler arbeitete mit allen Prominenten der Wiener Operette zusammen, mit Oscar Straus, für den er das Buch des Welterfolges „Drei Walzer“ schrieb, auch das Libretto zu dieses Meisters letzten [sic] Operette „Die Musik kommt“ stammt von ihm. Ebenso schwor Emmerich Kálmán zuletzt nur auf Knepler, der ihm mit der „Kaiserin Josephine“ in Zürich zu einem Sensationserfolg verhalf. Robert Stolz fehlt natürlich ebenso wenig in der Reihe von Kneplers berühmten Mitarbeitern, zu denen auch Künneke gehört, der ihm „Die lodernde Flamme“ verdankt, ein grandioses Buch, das E. T. A. Hoffmann in den Mittelpunkt des Geschehens stellt.
Knepler bewies aber auch sein Talent, wenn es galt, klassische Operetten, deren Originalbücher für die moderne Bühne untragbar geworden waren, dem heutigen Theaterbesucher neu zu erschließen. „Gasparone“ von Millöcker, mit dem unvergeßlichen Leo Slezak in der Hauptrolle, war in Berlin und überall ein Bombenerfolg, und bei der „Dubarry“ gelang es sogar Knepler mit Hilfe des kongenialen Musikbearbeiters Mackeben einer vollkommen vergessenen Operette Millöckers, die seit ihrer danebengegangenen Erstaufführung im alten Theater a. d. Wien in dortigen Archiven schlummerte und verstaubte, sämtliche Bühnen des In- und Auslandes zu erschließen, ein Welterfolg, den Gitta Alpar mit dem Vortrag des Liedes „Ich schenk’ mein Herz“ besiegelte.

[Neues Österreich. 25. Oktober 1959. S. 16]