Aglaja

Erste Erfahrungen mit dem „Hof-Theater Taschenbuch“
Almanache gehörten im ersten Viertel des 19. Jahrhunderts zum Brotartikel der Buchhändler. Durch das „Hoftheater Taschenbuch“ hatte der Wallishausser-Verlag bereits Erfahrung mit diesem Metier gesammelt, und so dürfte Therese Wallishausser den Entschluß gefaßt haben, einen „eigenen“, also nicht von einem anderen Verlag übernommenen, und vor allem wesentlich besser ausgestatteten Almanach herauszubringen. Dem Metier des Theaters wollte der Wallishausser-Verlag treu bleiben, und man betraute keinen Geringeren als Joseph Sonnleithner, der zwischen 1804 und 1814 die beiden Hoftheater geleitet hatte, mit der Herausgabe des Almanachs. Sonnleithner sollte wohl eine fachmännische Auswahl der Texte garantieren, und der Verlag war gewillt, für die ausgezeichnete Ausstattung des Almanachs, der die meisten seiner Wiener Konkurrenzwerke übertreffen sollte, zu sorgen. Im ersten Jahr brachte der Wallishausser-Verlag sogar beide Almanache heraus, doch ab dem zweiten Jahrgang konzentrierte man sich ganz auf die Aglaja und überließ das „Hof-Theater Taschenbuch“ (samt dem Platten für den Originalumschlag) dem Verlag Geistinger. Den Bildschmuck von dreien der sechs Kupferstiche des ersten Jahrganges schuf Friedrich John, und er machte seine Sache so gut, dass er für alle folgenden Jahrgänge mit der Herstellung aller sechs Stiche beauftragt wurde. Das auffallend hohe Honorar Friedrich Johns betrug achtzig Golddukaten, in den letzten Jahren sogar hundert.

Warum ohne Kalenderteil?
Ein dem Almanachcharakter entsprechender Kalenderteil dürfte der Aglaja, wie auch vielen anderen Wiener Almanachen, vor allem deswegen fehlen, da der Verlag die sonst fällige Kalenderabgabe sparen wollte. Im Jahrgang 1819 wurde ein überaus interessanter Fund getätigt, und zwar ein Kalender in einer Broschur aus demselben Papier wie das des Vorsatzpapieres. Die damals übliche Kalendersteuer war von der Größe und Ausstattung des Kalenders abhängig. Für den kleinen, unscheinbaren Kalender war nur die geringe Steuer von 6 Kreuzern fällig (für umfangreichere Ausgaben waren 12 Kreuzer zu bezahlen).

Grillparzers Beiträge zur Aglaja
Es ist naheliegend, dass Joseph Sonnleithner bezüglich Beiträgen für die Aglaja an seinen Neffen Franz Grillparzer dachte, der damals, noch vor seinem Erfolg mit der (ebenfalls bei Wallishausser erschienenen) „Ahnfrau“, völlig unbekannt war. Von Grillparzer ist eine pejorative Äußerung über Almanache bekannt: „Ich hatte bisher vermieden, in Tagesblätter und Taschenbücher etwas von meinen Arbeiten einzurücken, weil ich einen solchen Kleinbetrieb nach dem Ziele, das ich mir vorgesteckt habe, und nach der Stelle auf der literarischen Welt, auf die ich Anspruch machen zu können glaube, unter meiner Würde hielt.“ So äußerte sich Grillparzer in einem Brief an Sedlnitzky. Grillparzer war froh darüber, ja er sah es sogar als „Glück“ an, daß ihn sein Beamtengehalt vor einer minderwertigen literarischen Brotarbeit bewahrte. So ist es zu erklären, dass das Kapitel „Grillparzer im Almanach“ bei weitem nicht so reichhaltig ausfällt, wie es bei Goethe Arthur Goldschmidt bereits beschrieben hat. Freilich blieb Grillparzer seinem Grundsatz der Verschmähung der Almanache nicht absolut konsequent treu, vielleicht schon deswegen, weil sein Onkel Joseph Sonnleithner den ersten Jahrgang der vielgerühmten Aglaja herausgab. Da Grillparzer Zeit seines Lebens keine selbstständige Sammlung seiner Gedichte veröffentlichte, kommt den Lyrika in den Almanachen ein besonderer Stellenwert zu.

Ein Kalligraph für das Titelblatt
Für das Titelblatt des neunten Jahrgangs von 1823 wurde erstmalig ein eigener Kalligraph beschäftigt. J. B. Wallishausser II. scheute also weder die Kosten für den angesehenen Friedrich John, noch für den Stecher des Titelblattes, sondern er ließ dieses zuerst kalligraphieren und dann erst in Kupfer stechen. Über den Kalligraphen des Titelblattes, Friedrich Warsow, finden sich nähere Angaben bei Nagler 23, 506, Wurzbach 53, 100, und Thieme/Becker 35, 168; der Schriftkünstler war in Wien als „geschickt“ bekannt. Als weiterer Beleg dafür, dass das Titelblatt von einem eigenen Schreiber entworfen und dann erst in Kupfer gestochen wurde, kann ein (undatiertes, frühestens 1833 anzusetzendes ) „Gebet-Buch eines Katholischen Christen. Neue Auflage“, Wien, bey sel. J. Grämmer’s Witwe, angeführt werden, Druckervermerk auf der letzten Seite: „Aus J. B. Wallishausser’s Offizin“. Wallishausser ließ für dieses Gebetbuch das Frontispiz von Clemens Kohl stechen, der im Gegensatz zu John nicht in Punktmanier, sondern in der herkömmlichen Technik arbeitete. Als Kalligraph für das sehr ansprechend gestaltete Titelblatt zeichnete Joh. Pauer verantwortlich. Die Witwe Grämmer nahm sich demnach Aglaja zum Vorbild, nach der sie das von ihr verlegte Gebetbuch bei Wallishausser drucken ließ.

Friedrich John
Friedrich John,1769–1843, war vor 1792 in London als Kaufmann tätig und nahm nach dem Konkurs seiner Firma bei dem dort ansässigen, aus Italien stammenden Kupferstecher Francesco Bartolozzi, 1725–1815, Unterricht. Dessen in Punktiermanier gefertigte Stiche zeichneten sich durch besondere Zartheit und großen Tonreichtum aus. Im Jahr 1792 kam John nach Wien, um an der Akademie zu studieren. Seinen Unterhalt verdiente er sich durch den Verkauf seiner Kupferstiche. Zu seinen ersten Abnehmern zählte der Münchner Buchhändler Johann Baptist Strobl, 1748–1805. Johns „englische Punktmanier“, „eine Methode, die dem Zeitgeschmack besonders entsprach“, fand allgemein Gefallen, sogar Kaiser Franz von Österreich, 1768–1835, war derart beindruckt, daß er sich von allen Porträtarbeiten Johns ein Exemplar kommen ließ.
Die Ausstattung der Aglaja mit Kupferstichen Johns trug dazu bei, dass der Almanach nicht erst heute, sondern auch schon in früheren Jahrzehnten ein begehrtes Sammelobjekt war, wie durch die Angaben in verschiedenen Antiquariatskatalogen aus der Zeit um 1900 belegbar ist. [ADB 14, 488; DBA 609, 425–458; DBA NF 157–161 (besonders: 160, Krollmann, Christian (Hrsg.:) Altpreußische Biographie, Bd. 1, Königsberg: Gräfe und Unzer, 1941); Ersch/Gruber Allg. Enc. d. Wissenschaften u. Künste, II. Sect., XXII, 290; Nagler VI, 467; ÖBL 3, 125; Thieme/Becker 19; Weilheim 153; Wurzbach 10, 235–244.]
Die Originalplatten, zumeist nach Bildern in der Belvedere-Galerie gestochen, gingen ab 1852 in den Besitz Joseph Klemms über, der sie von Josephine Wallishausser käuflich erwarb. Klemm veranstaltete in den Jahren 1855 und 1856 einen Wiederabdruck der besser erhaltenen Stiche als Beilage zur Wochenzeitschrift „Salon“. Eine Retouchierung der vielfach stark abgenützten Platten wurde nicht vorgenommen, da sich kein ebenbürtiger Künstler fand.

Auflagenhöhe: 2000
Über die Höhe der Auflage wurde nur für einen einzigen Jahrgang, den von 1828, ein Beleg gefunden. In Zedlitz’ „Todtenkränzen“ 1831, findet sich im Vorwort, S. (VIII), der Hinweis, dass diese Auflage eigentlich bereits die dritte sei, „wenn man zweitausend Exemplare des Taschenbuches Aglaja [...] hinzurechnet“, in dem Zedlitz’ Werk vorabgedruckt worden war. Es ist anzunehmen, dass zumindest die späteren Jahrgänge der Aglaja in einer ähnlich hohen Auflage erschienen sind. Da auch die 1817 erschienene „Ahnfrau“ des damals noch völlig unbekannten Grillparzer ebenfalls in einer Auflage von zweitausend Exemplaren erschien, könnte vorsichtig auch für die frühen Jahrgänge eine ebenso hohe Auflage angenommen werden. Aus der Seltenheit des ersten Jahrganges der Aglaja auf dem Antiquariatsmarkt des späten 19. und des 20. Jahrhunderts darf nach Meinung des Verfassers keineswegs auf eine niedrigere Auflagenhöhe dieses Jahrganges gezogen werden.

Gründe der Einstellung der Aglaja
„Die zwanzig Almanache und Taschenbücher, welche erscheinen, sind mehr als Buchbinder- denn als Buchhändler-Spekulationen zu betrachten; kaum bei dem fünften Theile entspricht der Inhalt dem Einbande. Ausgezeichnet sind aber durch Ausstattung des Textes und der Kupfer, die Aglaja, und besonders die Vesta, welche erst neuerlich auftrat, und durch ihre ausgezeichneten Kupferstiche alle deutschen Almanache weit überbot“ urteilte Schmidl, A: Wien wie es ist, Wien: Gerold, 1833, S. 126. Der wahre Grund für die Einstellung der Aglaja dürfte jedoch der Tod J. B. Wallishaussers II. am 11. 10. 1831 gewesen sein. Die Vorbereitungen für den 1832er-Jahrgang waren schon so weit fortgeschritten, dass dessen Drucklegung zwar noch erfolgen konnte, an eine weitere Fortsetzung dachten Josephine Wallishausser und ihr Geschäftsführer Friedrich Scheurer jedoch nicht.

Die Aglaja im Spiegel der Urteile der Zeitgenossen und der Nachwelt
„... enthält Beiträge der besten damaligen österreichischen Dichter, insbesondere viele Gedichte Grillparzers im ersten Druck. In jedem Jahrgange von 1816 an sind 6 treffliche Kupferstiche Johns nach berühmten alten Bildern aus Wiener Galerien enthalten.“ [Gräffer, Franz: Kleine Wiener Memoiren und Wiener Dosenstücke. Hrsg. von Anton Schlossar und Gustav Gugitz, II. Band, München: Georg Müller, 1922, Endnote 226 von Anton Schlossar auf S. 341]
„... geschlossene, schön erhaltene Serien sind ... geradezu unauffindbar“ [Rabenlechner, Streifzüge, S. 38 und S 39]
„... während seiner ganzen Entstehungszeit mit herrlichen Stichen von John ... Organ österreichischer Dichtung ... brachte ... bedeutende, eine ganze Entwicklung des Genres anbahnende Novellen, von Grillparzer, Zedlitz, Zacharias Werner, Hammer-Purgstall.“ [Bauer, Werner M.: Die Verleger und Drucker Vinzenz Degen und Johann Baptist Wallishausser und ihre Stellung in der österreichischen Literatur ihrer Zeit. In: Zeman, Herbert (Hrsg.): Die österreichische Literatur — ihr Profil an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert. Graz: ADEVA, 1979, Bd. I, 179–202, Zitat: S. 201]