Don Juan Archiv - Wien, Forschungsverlag
Vorlesungsreihe Südosteuropastudien II
Vortrag Walter Puchner
Vortrag Walter Puchner
Vortrag Walter Puchner

Abstracts der Vorlesungsreihe Südosteuropastudien II: Musik und Theater

 

Walter Puchner: Kulturgeographische Aspekte der Literaturen Südosteuropas (15.-19. Jahrhundert)

09.10.2013, 18 Uhr, Don Juan Archiv Wien

Im Gegensatz zu den historischen und sprachwissenschaftlichen Studien im Rahmen der Balkankomparatistik ist eine vergleichende Literaturwissenschaft Südosteuropas über Anfangsstadien kaum hinausgekommen. Während bei der Untersuchung der Volkskultur doch länder- und sprachübergreifende Ansätze zu beobachten sind, bewegen sich die Studien zur Schriftkultur fast ausschließlich im Rahmen der nationalen Forschungseinrichtungen bzw. universitärer Institutionalisierung (Slawistik, Romanistik, Neogräzistik usw.), was sich in besonderem Ausmaße auf die Belletristik bezieht, wo die Sprachgrenzen die Komparabilität nachhaltiger beschränken. Dieser Vortrag stellt es sich zur Aufgabe, die Grundzüge einer vergleichenden Literaturwissenschaft des südosteuropäischen Raums von Slowenien bis an den Bosporus und vom Karpatenbogen bis ans Mittemeer vorzustellen, wobei im Besonderen auf die kulturgeographische Dimension eingegangen werden soll und Strukturkonstanten des Zeitraums vom 15. bis ins 20. Jh. herauszuarbeiten sind, die als Grundlage der Vergleichbarkeit von Themen, Motiven, Genres, Stillagen und Epochenbegriffen, von Ideologie und Ästhetik in Transformation und regionaler Ausfaltung dienen können.

 

Christian Glanz: Zur Rezeption der Ränder Kakaniens in der Wiener Operette

06.11.2013, 18 Uhr, Don Juan Archiv Wien

Der Hintergrund meiner Überlegungen ist die Frage nach der tatsächlichen Relevanz der gesamtstaatlichen („schwarzgelben“) Ideologie in den letzten Jahrzehnten der k.u.k. Monarchie. Den diesbezüglichen Darstellungen Friedrich Heers folgend und denen von Moritz Csáky (Wiener Operette als „Kunstgattung der Gesamtstaatsidee“) kontrastierend wird versucht, anhand von Erscheinungsformen der populären Musik zu diskutieren, welche Bilder speziell der „balkanischen“ kulturellen Kontexte im populären Zusammenhang transportiert wurden.  Gerade die Wiener Operettenbranche war in diesem Zeitraum von einer zunehmenden Fokussierung auf erfolgversprechende Strategien (differenzierte Arbeitsteilung in der Produktion, Orientierung an Aktuellem) charakterisiert. Anhand einiger konkreter Werkbeispiele wird die Darstellung südosteuropäischer Kontexte in Wiener Operetten mit zeitgenössischen relevanten Mentalitätsstrukturen in Verbindung gesetzt. Meine These ist dabei, dass die Operette als modernes Medium der Unterhaltungskultur tendenziell die in der Öffentlichkeit präsenten Einstellungen und Bilder spiegelt und in vielen Fällen auch verstärkt. Diese Einstellungen und Bilder wiederum lassen sich mit politischen Haltungen und Interessen in Beziehung setzen. Obwohl die Operette im Zentrum steht werden auch andere Bereiche der populären Musik der ausgehenden Monarchie berührt, vor allem der Komplex „Militärmusik“.

 

Theodor Emil Ulieriu-Rostás: Satyr-musicians and the politics of burlesque in Attic iconography

04.12.2013, 18 Uhr, Don Juan Archiv Wien

Defining figures of the Dionysiac space in its iconographic and performative expressions, satyrs have been often interpreted in Archaic and Classical Attic contexts as burlesque, yet paradigmatic inversions of the ideal Athenian citizen and its socially-sanctioned behaviour. However, such a reading can only partially untangle one of the most important dimensions of the satyrs’ narrative and visual identity: their association with musical performance and musical inventions in general, as well as certain instruments, such as the aulos, in particular – all of them outlined in the ambivalent narrative of Marsyas. This presentation will attempt to outline a general perspective of the satyrs’ complex relationship to music in Attic iconography, from aetiological threads and symbolic affinities, to the implicit reflections and explicit (i.e. polemical) references of Athenian musical practice, while also examining the semantic questions raised by the amount visual play employed by vase-painters in such contexts.    

 

Naila Ceribašić: Affect, right and resource: The production of heritage music in contemporary Croatia

19.03.2014, 18 Uhr, Don Juan Archiv Wien

Croatia is among the most engaged states parties of the UNESCO’s program for the safeguarding of intangible cultural heritage. Heritage elements grow luxuriant, swiftly transforming malleable traditions and fluid communities into essentialized, compartmentalized heritage or, more often, heritage elements spring up simply by pouring already canonized traditions into another vessel branded nowadays as heritage. Looking from the perspective of different parties involved in the process of heritagization (grassroots practitioners, local communities, heritage institutions, scholarly institutions, governmental bodies, media), the author will try to elucidate how and why the program is so exuberant, and what are characteristics of its implementation on the ground. Its affective component can be traced into ways of how people coped with experiences of war destruction during 1990s. In political terms, the most interesting aspect relates to a play between cultural diversity and social (ethnic, class and regional) border-making. In the economic domain the foremost significance of the program is to brand chosen items of traditional culture for tourist consumption, both in literal terms and in terms of Croatian aspiration to gain a distinguished place in the international cultural supra-market. Particularly important is also the relationship between heritagization and intellectual property rights. A special attention will be given to the domain of music production, and the Croatian example will be compared with a few other states parties of the UNESCO’s program, in particular post-Yugoslav states.

 

Beat Föllmi: Von Mioriţa zu Ödipus: Die rumänische Nationaloper des 19. und frühen 20. Jahrhunderts

09.04.2014, 18 Uhr, Don Juan Archiv Wien

Opernwerke in rumänischer Sprache, mit rumänischen Themen und von rumänischen Komponisten verfasst entstehen nur zögerlich, die ersten datieren aus dem Revolutionsjahr 1848, spätere folgen anlässlich des Zusammenschlusses der beiden Donaufürstentümer zu einem rumänischen Nationalstaat im Jahr 1859. Doch ihre Zahl bleibt sehr beschränkt, selbst der bedeutendste rumänische Komponist, Georges Enesco, wählte kein einziges Thema aus der rumänischen Geschichte oder Folklore für sein Opernschaffen. Trotzdem widerspiegelt sich im rumänischen Opernschaffen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts das Ringen um die Konstruktion nationaler Identität. Diese neu zu schaffende Identität musste sich gleichzeitig in Rumänien selber, bei den städtischen Eliten und dem (aus Deutschland stammenden) König, als auch in den europäischen Kulturzentren, wie Paris, Berlin oder Wien, behaupten. Anhand zweier Beispiele – Petru Rareş von Eduard Caudella (komponiert 1889) und Œdipe von Enesco (komponiert 1919-1931) – zeigt der Vortrag, wie die politischen und kulturellen Umbrüche in Rumänien in der Gattung Oper ihren Niederschlag gefunden hat.

 

Ardian Ahmedaja: Lokale Musikpraxis als Spiegelbild von Gesellschaft und Staat. Frauen- und Männerliederbei Albanern in Nordwestmazedonien

07.05.2014, 18 Uhr, Don Juan Archiv Wien

Die Trennung zwischen Frauen- und Männerrepertoires ist bis heute für viele lokale Musikpraktiken bei Albanern kennzeichnend. In lokal gebräuchlichen Terminologien werden Begriffe wie grarishte (grua [Pl. gra] – Frau bzw. Frauen) für „Frauenlieder und -tänze“ und burrërishte (burrë – Mann) für „Männerlieder und -tänze“ als Antonyme verwendet. Konnotationen wie „zierlich, fragil, schlicht“ für grarishte stehen „energisch, robust, leidenschaftlich“ für burrërishte gegenüber.

Verschiedenste Beispiele von praktizierten Beziehungen zwischen Frauen- und Männerrepertoires gibt es genug. Eines davon ist jenes der Brüder Sejdiu, die aus einem Bergdorf in Nordwestmazedonien stammen: Ende der 1970er Jahre durften sie keine Männerlieder im Rundfunk aufnehmen, da diese albanische Patrioten besangen oder von Armut und Belastungen erzählten. Beides war unzulässig im ehemaligen Jugoslawien. Ein albanischer Musikredakteur empfahl ihnen, Frauenlieder zu lernen, da ihre lyrischen Inhalte keine „Probleme“ verursachen würden. Zusätzlich zu dieser politischen Kontroverse verhinderten patriarchale Strukturen und die Bindung der Gemeinschaft zum Islam (wichtig auch zum ‚Anderssein‘ gegenüber dem christlichen slawischen Nachbarn), dass Frauen aus diesen Gebirgsdörfern im Rundfunk auftraten. Die ‚männliche‘ Aufführungsart der Frauenlieder wurde schließlich über die lokalen Grenzen hinweg bekannt. Die Lieder wurden selbst von Mazedonisch sprechenden Familien, deren Vorfahren Albaner waren, verlangt und aufgeführt. Das brachte den Sängern Probleme mit dem Staatssicherheitsapparat, die erst durch die politischen Veränderungen seit Beginn der 1990er Jahre gelöst werden konnten. Am Anfang wurden die Brüder Sejdiu von ihrer Gemeinschaft auch verspottet, da „ein Mann keine Frauen- bzw. Mädchenlieder singen dürfe“, doch wurde dieses Repertoire zuletzt „auch von jenen gesungen, die uns damals ausgelacht haben“.

Untersuchungen zur Musikproduktion und zum Wandel der lokalen Praxis, verbunden mit Gender-, Identitäts- und Glaubensdiskursen bieten kaum wahrgenommene Perspektiven, um Gesellschaft und Staat von innen zu deuten.

Letztes Update: 11.02.2015