Zur „Sammlung Paul S. Ulrich“
Mit seiner imposanten Sammlung und Auswertung von lokalen Theater-Journalen und überregionalen (universalen) Theater-Almanachen aus dem deutschsprachigen Raum und darüber hinaus zeigt Paul S. Ulrich den unschätzbaren Wert, den diese bislang vernachlässigten Quellen für die Theaterforschung haben. Auf lokaler Ebene sind Theaterjournale, in der Regel von SouffleurInnen auf eigene Kosten hergestellt und als Zusatzverdienst verkauft, seit dem letzten Drittel des 18. Jahrhunderts fester Bestandteil des Theaterlebens. Sie bieten in einer Rückschau auf die vergangene Saison einen Überblick über das Personal und das Repertoire, enthalten oft auch Gedichte, Anekdoten oder Couplets. In dieser Hinsicht sind Theateralmanache und -journale verlässlicher als Theaterzettel, diese geben in der Regel zwar keine Rollenbesetzungen wieder, verzeichnen jedoch chronologisch die tatsächlich aufgeführten Stücke.
Paul S. Ulrich hat gut 300 universale Theateralmanache und über 7.000 lokale Theaterjournale aus dem Zeitraum zwischen 1752 bis 1918 nachgewiesen und alle universalen und aktuell über 4.500 lokale bibliographisch und inhaltlich ausgewertet. Dabei handelt es sich allerdings nur um einen geringen Teil der Gesamtproduktion, die auf 100.000 Almanache und Journale geschätzt wird: die bislang nachgewiesenen Almanache, Journale und Kalender stammen aus 250 Orten, die zwar mit Berlin, Dresden, Hamburg, München oder Wien die großen Theaterorte einschließen, jedoch nur ein knappes Zehntel jener Orte ausmachen, an denen in diesem Zeitraum nachweislich Theater gespielt wurde.
In Bibliotheken, Archiven und Museen sind Theateralmanache nicht immer leicht zu finden, da sie noch nicht oder nicht einheitlich erfasst sind, zudem erschweren die Vielfalt der Titel (Almanach, Journal, Kalender, Taschenbuch, aber auch Repertorium, Abschieds-Journal, Neujahrs-Journal, Souvenir, Oster-Ei zum Schluß der Saison oder Märzblümchen) und Titelabweichungen das Auffinden.
Im gemeinsamen Projekt zur Theaterpublizistik von 1750 bis 1918 wurde aus Paul S. Ulrichs bibliographischen Daten die Rechercheplattform www.theaterjournale.at realisiert, in der explizit nach Journalen und Almanachen und nach deren Liegeorten gesucht werden kann - und zwar institutionsübergreifend. Verweisen wird auf die jeweiligen Liegeorte, und - falls vorhanden - wird auf von den besitzenden Einrichtungen zur Verfügung gestellte Digitalisaten verlinkt. Im parallel aufgebauten digitalen Archiv können im Don Juan Archiv Wien und in Berlin bei Paul S. Urlich sämtliche digitale Reproduktionen der theaterpublizistischen Quellen eingesehen werden, die er im Laufe der letzten Jahrzehnte gesammelt hat.
Ein Bericht zu diesem Projekt ist unter dem Titel „Bibliographische Forschung als Grundlage für Digitalisierungsprojekte, Oder: ‚Theaterpublizistik 1750–1918 digital‘“ in Band 1/2015 der AKMB-news, S. 18–21, erschienen.