Don Juan Archiv - Wien, Forschungsverlag

XIV. Forschungsgespräch des Don Juan Archivs

Theaterzettel III

Ort: Wienbibliothek im Rathaus

3. Februar 2012, 15 bis 18 Uhr

 

Bericht: Matthias J. Pernerstorfer

 

Nach der Tagung  zu Theater-Zettel-Sammlungen im Juni 2011 geht die Wiener Theaterzettel-Initiative nun in die zweite Runde. Vor allem in der Wienbibliothek im Rathaus hat sich in der Zwischenzeit sehr viel getan; die Veränderungen sind nicht zuletzt an den neu renovierten Depot-Räumen erkennbar, in deren Zeitschriften-Konvolutesaal am 3. Februar 2012 das XIV. Forschungsgespräch stattfand.

Franz Josef Gangelmayer präsentierte die dort befindliche Theatersammlung, in der während der laufenden Arbeiten über 160 Ablagefächer der Vorsortierung der Theaterzettel, Flyer und Spielpläne dienen. Im Zuge der Neusortierung werden die Theaterzettel nicht mehr wie früher in Schubern stehend, sondern in Schachteln liegend aufbewahrt. So können einzelne, später aufgefundene Zettel im Nachhinein leichter eingeordnet werden. Es ist bereits gelungen, die 150 Kartons an Altbeständen der Druckschriftensammlung zu bearbeiten; mit diesen ‚neuen‘ Theaterzetteln war es möglich, zahlreiche Lücken im Bestand zu schließen. Bis September 2012 sollen zudem alle Theaterzettel und Programmhefte aus den anderen Sammlungen bearbeitet und einsortiert werden. Beschlagwortung und Digitalisierung sind vorerst nicht intendiert.

Theaterzettel werden in der Wienbibliothek seit 2011 nicht mehr gebunden, die Bindung der Altbestände bleibt jedoch beibehalten. Es kann also durchaus vorkommen, dass lose gemeinsam mit gebundenen Zetteln (die in der Regel eine Signatur tragen) in einer Schachtel aufbewahrt und katalogisiert werden. Ausgehend von den daraus resultierenden Katalogisierungsproblemen wurde die Relevanz der Beibehaltung alter Signaturen diskutiert und auf eine Begehung des Theaterbereiches der Wienbibliothek mit dem Theaterhistoriker und Bibliographen Reinhart Meyer sowie MitarbeiterInnen des Don Juan Archivs am 20. Jänner 2012 verwiesen. Meyer hatte auf Rechercheprobleme durch die Veränderung bestehender Signaturen für Benutzerinnen und Benutzer hingewiesen. Die Suche nach Büchern verliefe häufig ins Leere, wenn ein bestimmtes Exemplar – mit speziellem Titelblatt, Zensurvermerken, handschriftlichen Eintragungen o. ä. – von anderen Exemplaren desselben Drucks ohne Signatur nicht mehr unterschieden werden könne. Julia Danielczyk bestätigte dies anhand ihrer Erfahrungen in der Handschriftensammlung der Wienbibliothek: Da alte Signaturen in der Datenbank gespeichert und damit recherchierbar bleiben, könne sie häufig Anfragen nach Werken mit diesen Signaturen (auf die in der älteren Sekundärliteratur verwiesen wird) beantworten, die im OPAC nicht mehr auffindbar sind.

Zurück zu den Theaterzetteln: Gangelmayer führt seine intensive Beschäftigung mit Theaterzettel-Konvoluten im Rahmen des Interuniversitären Universitätslehrganges „Library and Information Studies“ an der Universität Wien weiter und arbeitet mit zwei Bibliothekaren an Richtlinien für eine einheitliche Katalogisierung von Konvoluten. Hier stehen abermals die Fragen im Mittelpunkt, wie man Konvolute sammelt, wie ein einheitlicher Datensatz erzeugt werden kann und wie diese den Benutzerinnen und Benutzern sinnvoll zugänglich zu machen sind. Die erarbeitete Herangehensweise für eine einheitliche Erschließung der Theaterzettel-Bestände soll beispielhaft für ähnliche Projekte in anderen Abteilungen der Wienbibliothek sein.

In diesem Zusammenhang stellte Gangelmayer die von ihm erarbeitete und im Vorfeld versendete Systematische Erfassung der Theaterbestände der Druckschriftensammlung Wienbibliothek im Rathaus zur Diskussion. Neben Theaterzetteln sind darin Veranstaltungsprogramme, Zeitschriften, Jahrbücher und Sonderbestände – Primärliteratur in Auswahl – zu den Wiener Spielstätten angeführt. Bei Theaterzetteln und Veranstaltungsprogrammen wird unterschieden, ob es sich um Sammelbestände/Konvolute oder um Einzelaufnahmen handelt, was etwa bei Exemplaren zu Uraufführungen prominenter Stücke der Fall sein kann.

Von bibliothekarischem Interesse sind die von Gangelmayer gesammelten Grunddaten zu den Wiener Spielstätten, wie Zeitspanne, Name, Adresse, Eröffnung und Schließung der Theaterhäuser, denn Schließung(en) und Neueröffnung(en) von Spielstätten, Namensänderungen von Theaterhäusern, Umzüge oder Adressänderungen (z. B. bei Umbenennungen von Straßen und Plätzen) machen eindeutige Ansatz- und Verweisformen für die Recherche unerlässlich.

 

Beispiel Ateliertheater

Zeitspanne

Name

Adresse

1999–lfd.

Ateliertheater

7., Burggasse 71

1997–1999

Ateliertheater

7., Lerchenfelderstraße 45

1960–1997

Ateliertheater am Naschmarkt

6., Linke Wienzeile 4

1953–1960

Theater Kaleidoskop

6., Linke Wienzeile 4

1932–1938

Literatur am Naschmarkt

6., Linke Wienzeile 4

 

Ansatzform: Ateliertheater

Verweisformen:

→ Ateliertheater am Naschmarkt

→ Theater Kaleidoskop

→ Literatur am Naschmarkt

Die Erschließung von Sonderfällen wie Theaterzettel von Nebenspielbühnen, die Bespielung eines Hauses durch mehrere Schauspielgesellschaften oder der Wechsel von einer stehenden Bühne zu unterschiedlichen Spielstätten sind ebenfalls zu bedenken.

Eine umfassende, lückenlose Aufstellung der Wiener Spielstätten wäre sowohl für das Theaterzettel-Projekt, als auch für die Forschung zur Wiener Theatertopographie allgemein äußerst wünschenswert. Hilfreich wäre die Erstellung von Normdateien zu den einzelnen Wiener Spielstätten für die Gemeinsame Körperschaftsdatei (GKD) bzw. die künftig relevante Gemeinsame Normdatei (GND). Diese enthält Ansetzungs- und Verweisungsformen von Körperschaftsnamen, die anhand der Regeln für die alphabetische Katalogisierung (RAK) erstellt werden, ist jedoch in Bezug auf Verweisformen für das Theater (besonders in Österreich) sehr lückenhaft.

Geplant ist eine Ergänzung der theatertopographischen Daten in der Systematischen Erfassung der Theaterbestände im Zuge der täglichen Arbeit mit Theaterzetteln sowie eine Einarbeitung der theaterhistorischen Forschungen vom Institut für Theater- Film- und Medienwissenschaft zu den 1920er Jahren und der Ergebnisse des Theatertopographieprojektes des Don Juan Archivs von Marion Linhardt für den Zeitraum von 1750 bis 1850.

Abschließend wurden mögliche Themen der Tagung Theater-Sammlungen: Erschließung, Präsentation und Forschung (1. bis 3. Oktober 2012) besprochen. Eines könnten Normdaten – von den Preußischen Instruktionen, über RAK bis hin zu neuen Praxisregeln wie RDA (Resource Description and Access) – sein. Damit bilden aktuelle Fragen für das fachbibliothekarische Publikum einen Schwerpunkt, wodurch diese Tagung (wie schon die Tagung Theater-Zettel-Sammlungen 2011) an der Schnittstelle zwischen Eigentümer- und Forschungsinstitutionen positioniert wird. Berichte über den jeweils aktuellen Stand der Theaterzettelprojekte sollten ebenfalls auf dem Programm stehen.

 

Nora Gumpenberger

 

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Letztes Update: 11.02.2015