Don Juan Archiv - Wien, Forschungsverlag
Bernardon Der Ruchlose Iuan del Sole -Comoedie, anonym - Frontispiz (Nr. 135 der �Ariensammlung�, �NB Cod. 12708, S. 126)
Bernardon Der Ruchlose Iuan del Sole. Comoedie, anonym (= Johann Joseph von Kurtz, gen. Bernardon). Frontispiz (Nr. 135 der "Ariensammlung", ÖNB Cod. 12708, S. 126)

Joseph Felix von Kurz (1717-1784), Der Ruchlose Juan del Sole, Comoedie

 

Singer Nr. 1696. "KURZ, JOSEPH FELIX von [Kurz-Bernardon]. Der Ruchlose Juan del Sole. Play. Viennese. Mid-eighteenth century. Juan, who has killed many people and seduced a woman, is himself killed by the cenotaph of his mother, which falls on him. See No. 451.

 

Kommentar: Der vollständige Titel lautet: "[Arien, zu singen] In der Comoedie genannt: Bernardon Der Ruchlose Iuan del Sole. Nebst dem ersten und letzten Auftritt in Versen". Die Arientexte sind enthalten als Nr. 26 im dritten Band der Ariensammlung (ÖNB, Cod. 12.708, p. 126-146). Überliefert sind die mit der Arie der Venus (Num: I) beginnende erste Szene in Versen (Alexandrinern), zwei Duette (Num. II, Iuan del Sole/Hanns=Wurst, und Num. III, Hanns=Wurst/Columbine), sowie die gleichfalls in Alexandrinern verfaßte letzte Szene (Texte in Versen wurden gewöhnlich nicht improvisiert).

 

Der Text dieser letzten Szene erlaubt zwar nicht, die Handlung zu rekonstruieren, doch immerhin ihren familiengeschichtlichen Hintergrund. Wir befinden uns auf einem Friedhof. Juan ist auf der Flucht vor den Wachen des Fürsten Sancio; ein "höllischer Geist" (der "Teufel" war auf der Wiener Bühne nicht zugelassen), in Diensten bei Juan, hat ihn hierhergeführt - in ausweglose Sicherheit: der einzige Ausweg heißt Selbstmord, und dazu offeriert der Geist als letzte Hilfe einen Dolch. Juan zeigt sich störrisch, wendet die Nichtschriftlichkeit des Paktes ein. Der Geist macht nicht viele Umstände: "Ich brauche keine Schrift, denn solche böse Buben, die fallen wie von selbst in Satans Mörder=Gruben"; unter Hinterlassung des Dolches überläßt der Geist sein Opfer sich selbst und der unentrinnbaren Zukunft - sowie einer unerwarteten Begegnung mit der Vergangenheit. Diese steht vor dem Helden in Gestalt von drei Grabmälern: sie gehören Juans Eltern - Diego, Gormaz, und Elvira.

 

Mit dem Lesen der Grabinschriften erkennt Juan die Dargestellten, fühlt sich durch die geschriebenen Worte herausgefordert und ruft die Geister der Toten herauf. Von den Statuen der Väter und vom Geist der Mutter erfährt er in seiner letzten Stunde - und mit ihm das Publikum am Ende des Stückes - die Familiengeschichte. Juan del Sole ist Sohn der Elvira und des Don Diego, ihres ersten Gatten - dies glaubt alle Welt, also auch der Held; nur die Mutter kennt die wahren Umstände und hütet ihr Geheimnis im Grab. Don Diego, Juans vermeinter Vater, verlor nach der Gattin auch das Leben an den Grafen Gormas, Juans echten Vater. Aus dieser zweiten Ehe der Mutter stammen Juans echte, ihm als solche gleichfalls unbekannte Geschwister: seine Schwester Delmira - von ihm begehrt, aus dem Kloster geraubt und schließlich getötet (wohl erstochen); sowie sein Bruder Meriches, von dem er (wohl deswegen) gefordert wurde und den er im Duell erstach. Erstechung im Duell durch Juan widerfuhr zuletzt auch dem leiblichen Vater Gormas, zur Rächung der - wohl lange zurückliegenden - Ermordung von Diego, Juans vermeintem Vater.

 

Die Last der Vergangenheit wird zu groß, als Juan vom Geist seiner Mutter erfährt, daß auch Schimena, die geliebte Braut, eine allzunahe Verwandte ist - seine Stiefschwester, wie er selbst Frucht heimlichen Verlangens der gemeinsamen Mutter nach Höheren, diesmal dem Landesherrn selbst: Schimenas Vater ist jener Fürst Sancio, vor dem Juan auf der Flucht ist. Der fatale Kreis hat sich geschlossen. Juan ergreift den höllischen Dolch, sich selbst zu erstechen, scheitert, verletzt aber mit dem Wegschleudern des Dolches die zu seiner Rettung herbeieilende Schimena so sehr, daß diese in seinen Armen stirbt. Juan, in leidenschaftlicher Verzweiflung und Selbstverdammnis, "geräth außer sich" und fordert das Ende durch das Grabmal seiner Mutter; dieses fällt augenblicklich ein "und schlägt den Juan del Sole thot."

 

Das Stück amalgamiert - unter anderen - Elemente der Sagenkreise um El Cid, Sancho von Navarra, Don Juan und Faust - reiches Material zu einer motivgeschichtlichen Untersuchung.

 

Im selben Band der Ariensammlung finden sich auch die Arien zur Tragi-Comoedie Der Ertz=Zauberer Joannes de Luna.

 

Siehe H. Weidinger, Il Dissoluto Punito, Band III, Kapitel IV, Der andere Juan, S. 454-473.

(hew)

 

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Letztes Update: 21.10.2014