Don Juan Archiv - Wien, Forschungsverlag
Erschließung und Zusammenführung der Theaterzettelbestände in
Erschließung und Zusammenführung der Theaterzettelbestände in der Wienbibliothek im Rathaus (Claudia Mayerhofer, Silvia Freudenthaler, Jana-Katharina Mende, Franz Josef Gangelmayer)

Theaterzettel-Exkursion

 

Musiksammlung der Österreichischen Nationalbibliothek (ÖNB)
Österreichisches Theatermuseum (ÖTM)
Wienbibliothek im Rathaus (WBR)

 

Donnerstag, 17. März 2011, 10 bis 15 Uhr

 

Wie beim 11. Forschungsgespräch des Don Juan Archiv Wien zum Thema Wiener Theaterzettel / Theaterrepertoire Wiens vereinbart, fand am 17. März eine gemeinsame Begehung der Musiksammlung der ÖNB, des ÖTM sowie der WBR statt, um die jeweiligen Bestände kennenzulernen. Begonnen wurde in der Musiksammlung der ÖNB, wo nach einer Vorstellungsrunde der TeilnehmerInnen – Silvia Freudenthaler (Don Juan Archiv Wien, DJA), Franz J. Gangelmayer (ÖNB), Claudia Mayerhofer (ÖTM), Jana-Katharina Mende (DJA), Christa Müller (ÖNB), Matthias J. Pernerstorfer (DJA), Marc Strümper (ÖNB), Christa Traunsteiner (ÖNB) – und einigen einführenden Worten von Christa Müller und Matthias J. Pernerstorfer die Bestände von der stellvertretenden Leiterin der Musiksammlung, Christa Traunsteiner, vorgestellt wurden.

Österreichische Nationalbibliothek – Musiksammlung

 

Die Musiksammlung besitzt Theaterzettel der Hof- bzw. Staatstheater und -oper aus dem Zeitraum von 1805 bis 1815 und 1821 bis 1996. Diese Theaterzettel sind in einem handschriftlichen Katalog verzeichnet, der den TeilnehmerInnen im Anschluss an die Exkursion von Christa Müller gescannt zugesandt wurde. Darin finden sich auch Verweise auf jene Bestände des ÖTM, die ebenfalls Eigentum der ÖNB sind. Die Bestände des 19. Jahrhunderts sind in digitalisierter Form in ANNO (AustriaN Newspapers Online) erfasst, Pläne zur Digitalisierung der Bestände des 20. Jahrhunderts von Burgtheater und Staatsoper bestehen.

Bezüglich der Aufbewahrung der Theaterzettel bemerkte Traunsteiner, dass einige wenige weitere Exemplare, etwa zum Theater an der Wien, in Archivboxen zusammengefasst sind. In Nachlässen befindliche Programme (vereinzelt auch Theaterzettel) werden, sofern Sie das künstlerische Schaffen des Nachlassers dokumentieren, im Nachlass belassen und konvolutmäßig katalogisiert. Vereinzelte Programme und Theaterzettel, die aus den Nachlässen ausgeschieden werden, werden bei den Programmen aufgestellt, die z.B. nach Veranstaltungsort oder Stadt geordnet sind und zumeist in Archivboxen aufbewahrt werden. Diese Bestände sind konvolutmäßig in konventioneller Form auf Katalogzetteln in der Musiksammlung erfasst. Die Theaterzettel der Wiener Hoftheater bzw. Österreichischen Bundestheater sind in Form einer Konvolutaufnahme im Online-Katalog katalogisiert und in konventioneller Form auf Katalogzettel in der Musiksammlung. Programmhefte der Wiener Staatsoper und Volksoper befinden sich vereinzelt in der Musiksammlung und enthalten meistens keinen Besetzungszettel. Sie sind einzeln im Online-Katalog erfasst, wobei allerdings die Katalogisate des Österreichischen Verbundkatalogs genutzt werden, bei denen mitunter Besetzungszettel angeführt sind, was zu Missverständnissen führen kann.

Mehrere Fragen wurden diskutiert, u.a. zur Aufbewahrung der teilweise vom Zerfall bedrohten Theaterzettel, zur Möglichkeit, zeitgenössische Theaterzettel in elektronischer Form zu sammeln, wobei allerdings einstimmig die Papierausgabe bevorzugt wurde, sowie zur Ordnung der Theaterzettel nach Spielstätten. Besonderes Augenmerk kommt den Gastspielen zu sowie der Frage, wie diese verzeichnet werden sollen. Diesbezüglich bemerkte Gangelmayer, dass die WBR vielleicht eine eigene Signatur für Theaterzettel von Wandertruppen vergeben werde.

Abschließend stellte Pernerstorfer fest, dass er den Katalog der Theaterzettel der Musiksammlung in Tabellenform gerne im Tagungsband zur Tagung Theater-Zettel-Sammlungen, die in Kooperation von DJA und WBR am 29. und 30. Juni 2011 stattfindet, publizieren würde.

Österreichisches Theatermuseum

 

Die Sammlung der Theaterzettel des ÖTM wurde von Othmar Barnert, dem Bibliothekar, vorgestellt; zusätzliche Informationen gab Claudia Mayerhofer. Zunächst wies Barnert auf die Unzuverlässigkeit der Titelangaben auf den Theaterzetteln hin. Diese zeigen lediglich an, welche Vorstellung mit welcher Besetzung intendiert war, doch liegt darin kein Beweis, dass diese Vorstellung tatsächlich stattgefunden hat. Bei der Beurteilung des Quellenwertes der Theaterzettel ist zu berücksichtigen, dass z.B. die großformatigen Drucke mehr Fehler aufweisen (40 bis 60 Prozent Fehlerquote), da sie zeitlich vor den Theaterzetteln gedruckt wurden. Häufig widersprechen die Angaben auf einem Besetzungszettel denen des entsprechenden Theaterzettels oder finden sich Vermerke zu Stückänderungen und Verschiebungen auf den Theaterzetteln des ÖTM. Ab der Jahrhundertwende existieren großformatige Plakate, die auch im ÖTM aufbewahrt werden. Diese wurden teilweise mit Überklebungen, z.B. bei Termin- oder Besetzungsänderung, versehen. Kleinformatige Zettel unter DIN A4 Format sind ebenfalls in der Sammlung enthalten.

Zur Relevanz des Bestandes des ÖTM für einen Wiener Gesamtspielplan lässt sich sagen, dass die Theaterzettelsammlung deutlich umfangreicher ist als jene bereits in großen Teilen digitalisierte der Musiksammlung der ÖNB. Nur teilweise handelt es sich um Dubletten der in der Musiksammlung vorhandenen Zettel. Im Gegensatz zur Musiksammlung umfassen die Bestände des ÖTM Dokumente zu weitaus mehr Häusern und auch kleineren Bühnen, wobei die Bestände nicht immer vollständig sind und bei einigen Häusern (z.B. Theater an der Wien, Theater in der Josefstadt) erhebliche Lücken bestehen. Durch die Kooperation zwischen einzelnen Theatern wurden manchmal „Doppelzettel“ gedruckt, manchmal brachten Wandertruppen ihre eigenen Zettel für die Aufführung(en) in Wien mit; diese Zettel sind dann häufig unter der jeweiligen Spielstätte eingeordnet, wofür es aber kein gesondertes Verzeichnis gibt. Teilweise finden sich statt gedruckter Theaterzettel auch handgeschriebene, die z.B. vom Souffleur angefertigt wurden. Aus der Zwischenkriegszeit sind auf Grund des Papiermangels nur wenige Theaterzettel vorhanden.

Es gibt allerdings neben der ausgewiesenen Theaterzettelsammlung auch zahlreiche (bislang ungezählte) ‚versteckte‘ Theaterzettel in den Beständen des ÖTM. In Nachlässen und Bühnenmanuskripten finden sich manchmal Exemplare, welche die Sammlung ergänzen. In den Nachlässen sind überdies Klebealben enthalten, in denen Privatpersonen ihre Theaterbesuche mit Theaterzetteln und Programmheften dokumentiert haben. Auch in der Rara-Sammlung sind Theaterzettel, vor allem von Premieren oder Gastspielen, erfasst.

Zudem verwies Barnert auf die Relevanz der Theaterzeitschrift Der Zwischenakt, die von 1858 bis 1871 erschien und die Wiener Spielpläne des jeweiligen Tages in einer Übersicht abdruckte. Da die Zeitung kurz vor den Vorstellungen gedruckt wurde, ist die Fehlerquote relativ gering. Sie ist besonders gut für die Entwicklung einer digitalen Infrastruktur für das Projekt zum Wiener Theaterspielplan geeignet, da sie einerseits einen begrenzten Zeitraum umfasst und zum anderen einen Überblick über verschiedene Theater in einer Form bietet, die jener der Theaterzettel sehr nahe kommt.

Ausgehend von der Benützung der Theaterzettel im Rahmen wissenschaftlicher Projekte verwies Barnert auf den schlechten Zustand insbesondere sehr gefragter Exemplare. Die Bestände sind nach Spielstätten geordnet. Die Umbenennung von Theatern ist häufig mit einer Formatänderung der Theaterzettel durch die neue Direktion verbunden; der neue Name derselben Spielstätte hat jedoch keinen Einfluss auf die Vergabe der Signaturen des ÖTM.

Auch von Seiten des ÖTM ist die Publikation eines Bestandskatalogs der Theaterzettelsammlung im Tagungsband der Tagung Theater-Zettel-Sammlungen angedacht.

Wienbibliothek im Rathaus

 

In der Plakatsammlung der WBR zeigte Franz Gangelmayer großformatige Theaterzettel, vorwiegend aus dem 19. und 20. Jahrhundert, von welchen teilweise Mikrofilme hergestellt wurden. Diese Mikrofilm-Sammlung umfasst 20.000 Einheiten, die für eine Digitalisierung zur Verfügung stehen. Die Originale werden im Tiefspeicher der WBR aufbewahrt, wohingegen die kleinformatigen Druckschriften in Depots auf dem Dachboden lagern.

Derzeit werden die reichhaltigen Bestände neu erfasst, mit den bestehenden Sammlungen zusammengeführt, nach Spielstätten sortiert und kontrolliert; zuletzt sollen die Bestände auch räumlich zusammengefasst werden. Teilweise stellen sich Fragen zur Lagerung, Bindung und Datierung. Die Theaterzettelsammlung der WBR ist insgesamt sehr heterogen, da sie einerseits Theaterzettel in unterschiedlichen Formaten enthält und sich andererseits weitere Druckschriften mit Theaterbezug wie etwa Kalender der Staatsoper etc. finden. Die WBR besitzt ebenfalls eine fast vollständige Ausgabe der Theaterzeitschrift Der Zwischenakt.

Auch in der WBR finden sich zahlreiche Theaterzettel in Nachlässen und sind meist noch nicht in die bestehende Sammlung eingefügt. Die vorhandenen Programmhefte, welche die WBR als Pflichtexemplare erhält, enthalten oft Theaterzettel, wobei sich die Frage stellt, ob man diese herausnehmen oder sie mit dem Programmheft gemeinsam binden sollte. Letzterer Möglichkeit wird vermutlich der Vorzug gegeben.

Als nächster Schritt ist die Erfassung der vorhandenen Bestände geplant; deren Ergebnis könnte ebenfalls in dem Tagungsband Theater-Zettel-Sammlungen publiziert werden.

Insgesamt konnten durch die Exkursion neue Einsichten bezüglich des Umfangs der vorhandenen Bestände, aber auch ganz praktischer Fragen wie der Lagerung und Sortierung von Theaterzetteln gewonnen werden. Auch bezüglich der Digitalisierung von Theaterzetteln ergaben sich interessante Fragestellungen und Möglichkeiten, die zu weiteren Diskussionen einladen.

 

Jana-Katharina Mende

 

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Letztes Update: 20.05.2015